Hinter dem Watt

Heute erzähle ich Euch die zweite Geschichte von dem übermütigen und neugierigen Wattwurm Fiedel und seinen  kleinen Freunden. Sie stellen sich und dem Steinbutt Hans die Frage, was wohl hinter dem scheinbar endlosen Watt sein mag.

Viel Spaß!

Eure Dörte

Der kleine Ringelwattwurm Fiedel schaut – PLOPP – aus seiner kuscheligen Höhle heraus, macht es sich auf seinem geringelten Watthäufchen bequem und schaut sich um.

Weit und breit das Wattenmeer. Ganz in der Ferne, auf dem Festland, blinkt der rot-weiß gestrichene Leuchtturm. Er weist den Schiffen mit seinem Licht Tag und Nacht den Weg.

‚Der hat nie eine Pause‘ denkt Fiedel und gähnt dabei ganz laut. Er reckt und streckt sich, macht sich einmal gaaaanz lang und ringelt sich ganz schnell wieder zusammen.

Zur anderen Seite erstreckt sich so weit Fiedels Augen sehen können nur das in der Sonne glitzernde Watt.

„Da muss doch noch irgendetwas sein“, grübelt Fiedel, „Watt und nichts als Watt. Was ist eigentlich hinter dem Watt?“

Neben ihm bewegt sich der feuchte Sand. Er wabert und schaukelt und blubbert, und plötzlich schauen ihn zwei kleine Augen an. Es ist sein Freund, der alte Steinbutt Hans.

„Moin“, brummt Hans.

„Moin, moin“, grüßt Fiedel zurück. „Hans, was ist eigentlich hinter dem Watt?“

„Hhm“, brummt Hans. „Watt und nix als Watt. Wenn du immer weiterläufst, kommt ein Priel. Da fließt das Wasser bei Ebbe und Flut rein und raus. Dann kommt wieder Watt und nix als Watt. Und dann kommt das Fahrwasser.“ Hans ist ganz erschöpft von der langen Rede.

„Was ist denn ein Fahrwasser“, fragt Fiedel neugierig.

Hans plinkert mit seinen kleinen Augen. „Da fahren die großen Schiffe hinaus auf`s Meer.“

Fiedel überlegt kurz und fragt dann erstaunt: „Auf das Meer? Aber wo fahren die Schiffe dann hin?“

Hans wird langsam ungeduldig: „Na, in ganz ferne Länder. Amerika, Afrika, Indien – oder sie kommen aus den fernen Ländern und fahren zurück in den nächsten Hafen und entladen dort ihre Schiffe.“

Das möchte Fiedel sich gerne einmal anschauen.

Er ruft seine Freunde zusammen, die ‚PLOP‘, ‚PLOP‘, ‚PLOP‘ sofort aus ihren Wattkringeln hinaus geflitzt kommen und machen sich gemeinsam auf den weiten Weg zum Fahrwasser. Hans hat sich schon wieder in den feuchten Sand eingegraben und ruht sich aus.

Nach einem langen Marsch quer durchs Watt, mit einer erfrischenden Abkühlung im Priel, erreichen sie tatsächlich das Fahrwasser.

Und richtig. Da, wo das Wasser auch bei Ebbe immer tief genug für große Schiffe ist, sehen sie die ersten Kähne. Große Containerschiffe, kleinere Kutter auf Fangfahrt, ein riesiger Dampfer und ganz kleine Motorboote.

Und alle haben als Ziel die fernen Länder oder den nächsten Hafen in der großen Stadt.

Im Bauch von Fiedel fängt es ganz doll an zu kribbeln.

„Hinter dem Watt ist ja richtig viel los“, denkt er. „Da fängt die große weite Welt erst richtig an.“ Seine Freunde schauen sich das bunte Treiben auf dem Wasser genauso erstaunt an.

Ein Krabbenkutter hat seitlich zu beiden Seiten seine Fangnetze in das Wasser gelassen. Die Netze gleiten an Rollen über den Meeresboden, um dabei die Krabben aufzuschrecken und einzusammeln.

Inzwischen wird der Kutter von einem riesigen Schwarm weißer Möwen verfolgt, die gierig auf Futter warten.

Die Ringelwürmer gehen schnell in Deckung, damit die laut kreischenden Möwen sie nicht mit einer Krabbe verwechseln.

Als dann auch noch der riesige Dampfer ganz laut tutet, ‚BRÖÖÖÖÖÖÖÖT – BRÖÖT‘, erschrecken die Ringelwurmfreunde und beschließen schnell, den Ausflug zu beenden.

Sie lassen sich von der auflaufenden Flut nach Hause tragen. Der Rückweg durch den Priel, geschwind über das Watt, bis zu den kleinen Watthäufchen geht mit dem Wasser rasend schnell.

Dort werden sie schon von Hans erwartet.

„Na“, brummt er, „wie war euer Ausflug hinter das Watt?“

Fiedel sprudelt fast über, als er Hans vom Priel, den vielen Schiffen und vom fernen Meer erzählt. Als er ihm dann noch von dem laut tutenden Dampfer erzählt, spürt er immer noch das wohlig, schaurige Kribbel-Erschrecken im Ringelbauch.

Da schmunzelt Hans: „Aber zu Hause ist es doch immer am schönsten, oder?“

Die kleinen Ringelwürmer nicken müde, kriechen schnell in ihre Höhlen, kuscheln sich ein – und träumen von der großen, weiten Welt.